“Wir sind nicht frei, wir sind gezwungen, Gutes zu tun und fühlen uns trotzdem schlecht”, über das Thema schrieb ich auf Instagram. Der Beitrag war erfolgreicher als alle anderen in diesem Jahr. Ich habe wohl einen Nerv getroffen. Einen, der weh tut. Viele Menschen meiner Generation (und noch mehr der nächsten) kämpfen mit der (und gegen die) Klimakrise. Doch nicht nur aktiv gegen die Ursachen der Krise, sondern auch mental vor den Folgen. Sie spüren Angst vor der Zukunft, manche regelrechte Panik. Sie sind wütend auf die Menschen, die diese Krise verantwortet haben und traurig über das, was schon verloren ist und noch verloren gehen wird.
Let’s Talk Emotions
Viel zu selten sprechen wir bisher im Kontext der Krise über Emotionen. Dabei sind sie es, die uns antreiben oder lähmen, die unseren Aktivismus befeuern oder uns im schlimmsten Fall handlungsunfähig machen. Ich kenne eine Dreizehnjährige, die ist verzweifelt. Sie lebt vegan, ernährt sich regional und biologisch, fliegt nicht, verzichtet auf unglaublich viel und hat trotzdem das Gefühl, viel zu wenig zu tun. Gleichzeitig mit dieser Hilflosigkeit herrscht Frustration darüber, dass die Regierung und große Konzerne nichts tun. Was hilft bei solchen Klimaemotionen?
Jan Lenartz, der gemeinsam mit Milena Grimbovski den achtsamen Kalender “Mein guter Plan” gegründet hat, hat sich umfassend mit dem mentalen Aspekt der Klimakrise auseinandergesetzt und die Website klimaangst.de aufgebaut. In der ersten Folge des Podcasts “Über Leben in der Klimakrise” spricht er mit Milena über Klimaemotionen und wie man damit klarkommt. Er dröselt auf, warum es Emotionen wie Angst, Wut, Frustration und Trauer im Kontext mit der Klimakrise gibt, in welchem Umfang und stellt klar: Es ist vollkommen verständlich und komplex.
Emotionen im echten Leben teilen
Die Lage ist verzwickt. Es gibt Angststörungen, die sind für die Patientinnen und Patienten belasten, aber da können Psycholog:innen und Psychiater:innen letztlich beschwichtigen: Diese Ängste existieren nur im Kopf. Und dann – gibt es die Klimakrise. Die leider so real ist, dass viele dazu neigen, sie komplett zu verdrängen oder zu ignorieren. Die so substanziell ist, dass es einen verrückt machen kann, wenn man darüber nachdenkt. “Bei mir passiert es vor allem Nachts”, erzählt Milena Grimbovski, die Gründerin des ersten Unverpacktladen Berlins: Sie wacht nachts auf, kommt ins Grübeln und findet nicht mehr raus. Sie erzählt, wie sie sich auf Twitter und in den sozialen Netzwerken verläuft, auf der Suche nach einer Bestätigung, nach Hoffnung – und auf immer mehr Hiobsbotschaften trifft, die die Gedankenspirale befeuern. Der Tipp von Jan Lenartz liegt uns wahrscheinlich allen auf der Zunge: Die App schließen. Informationen gezielt suchen, aber sich nicht verrückt machen lassen von Tweets. Vor der Nutzung der App das Warum hinterfragen. Bewusstmachen, was die Intention des Öffnens der App ist – und danach auch wieder schließen.
Das ist schwer. Wer sich mit dem Thema Klima beschäftigt und in den sozialen Netzwerken aktiv ist, denkt womöglich, jeder seiner Tweets oder Posts ist super wichtig, könnte den Unterschied machen. Das ist aber falsch. Diejenigen, die sich mit dem Thema beschäftigen, sind drin. Und die anderen müssen bereit sein, zum Thema zu finden, Angebote gibt es genug. Wer Twitter oder Instagram schließt und die Nachrichten ausblendest, machst das richtige in diesem Moment. Du bist nicht ignorant, du schützt dich.
Was besser hilft bei starken Emotionen: Raus aus der Blase des Internets. Vernetzen mit echten Menschen, bei realen Treffen. Auf Demos, die jetzt bis September zur Bundestagswahl wieder verstärkt von Friday For Future organisiert werden. Das Thema auf den Tisch bringen und zwar nicht als abstraktes Thema von Kipppunkten, CO2-Bilanzen oder Plastikmüll. Sondern konkret. “Ich bin so wütend”, “Ich habe Angst”, “Ich bin frustriert”. In den Austausch über die Emotionen gehen, mit dem Partner, mit der Familie und im Freundeskreis. Emotionen gemeinsam zu empfinden, erleichtert.
Fazit Klimaemotionen
Klimaangst ist eine berechtigte Sorge um die Zukunft. Wer sehr stark davon betroffen ist, sollte sich professionelle Hilfe holen. Wer sich eingeschränkt fühlt in seinem Leben durch diese Angst, dem kann eine Verhaltenstherapie helfen. Für manche ist es aber alleine schon eine Hilfe, zu wissen, dass es viele gibt, die diese Emotionen verspüren. Es hilft, darüber zu sprechen. Es hilft, Emotionen zu benennen: ich habe Klimaangst. Schnell merkt man: Ich bin nicht allein. Wichtig ist auch zu wissen: Das Thema der Emotionen rund um den Klimawandel steht noch ganz am Anfang. Es ist komplex und es ist notwendig darüber im Austausch zu bleiben.