Warum wir eine Klimaeltern-Community brauchen und wie du dich einbringen kannst
Viele Menschen, die sich die Klimakrise bewusst gemacht haben, sind besorgt und stehen ratlos vor einer Wand aus Fragen und Emotionen. Ich stelle aber die Vermutung auf, dass sich für Menschen mit Kindern, die sich die Klimakrise bewusst gemacht haben, diese Wand besonders bedrohlich, besonders beängstigend anfühlt. Weil Kinder der Klimakrise ein Gesicht geben. Weil sie Zeit greifbar machen. Klimaeltern haben mit besonderen emotionalen Herausforderungen zu tun.
Ich hätte nicht gedacht, dass mich meine Mutterschaft so verändern würde. Dass das erste Jahr mit Baby so viel aufwirbelt, durcheinanderbringt und komplett neu formt. Mit meiner neuen Rolle als Mutter veränderte sich der Alltag, die Partnerschaft, die eigene Persönlichkeit, Freundschaften und Beziehungen – alles. Wer Mutter oder Vater wird, der wird durch diese neue Rolle verändert hervorgehen, denn ein Kind großziehen prägt wie sonst wenig im Leben.
Ich sage es ganz ehrlich: Ich wäre aufgeschmissen gewesen ohne meine Eltern-Community. Und die fand zum allergrößten Teil Online statt. Zwar ging ich auch zu einer Krabbelgruppe in der nächstgrößeren Stadt, aber wirklich Anschluss fand ich dort nicht. Getragen hat mich mein virtuelles Netz aus BO-Müttern, die sich wie ich zum ersten Mal oder schon länger mit bedürfnisorientierter Erziehung und einer Beziehung auf Augenhöhe beschäftigten.
Mittlerweile bin ich in meiner Mutterrolle gut angekommen. Seit diesem Jahr bin ich sogar bereits Schulkindmama, was sich total verrückt anfühlt. Auch wenn da wieder etwas ganz Neues auf uns zukommt und es noch viele Situationen und Phasen geben wird, in denen wir noch unseren Weg suchen müssen – im Großen und Ganzen ist klar, wie wir unser Familienboot durch das Fahrwasser lenken.

Die Klimakrise bekommt durch Kinder ein Gesicht
In der Klimakrise ist das Fahrwasser noch ziemlich trüb, niemand weiß wo die Stürme lauern und wo Flaute herrscht. Kinder geben dem zeitlichen Rahmen, in dem sich die Prognosen für die Klimakrise abspielen ein Gesicht. Als Klimaeltern weiß man: Das Jahr 2100 wird wärmer sein. Die Vorhersagen schwanken je nach aktuellem Handeln um mehrere Grad Celsius und damit verändern sich die Auswirkungen auf das Leben unserer Kinder von es wird “anders, aber durchaus lebenswert” bis zu es wird “schlimm, richtig schlimm”.
Die Entscheidung für Kinder ist eine Entscheidung für Hoffnung, aber auch für ein Leben mit mehr Angst.
Durch Kinder ist das Jahr 2100 nicht mehr in undenkbarer Ferne. Sondern das Jahr, in dem mein Sohn gerade einmal 79 Jahre alt sein wird. Meine Oma, die bei uns im Haus wohnt, ist 81. Sicher, sie hat ihre “Baustellen”, (es würde ihr, aber besonders uns wirklich gut tun, wenn sie ihre Hörgeräte auch anziehen würde!) – aber davon mal abgesehen. Meine Oma ist bei uns, sie ist aktiv, sie lernt Spanisch, geht mehrmals die Woche in einen Sprachkurs und besucht eine Senioren”schule” bei uns im Dorf, um geistig fit zu bleiben und Anschluss zu finden.
Mit 80 Jahren ist sie von Deutschland nach Spanien gezogen, um bei ihrer Enkeltochter, ihrem Schwiegerenkelsohn und ihren beiden Urenkelkinder zu leben. Sie lebt ein gutes Leben und ich gönne es ihr von Herzen. Meine Oma wurde im Zweiten Weltkrieg geboren, sie war vier Jahre alt, als die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden. Sie hat viel erlebt in ihrem Leben, gute, sehr gute, aber auch schlechte und sehr schlechte Zeiten. In die Zukunft schaut sie sehr besorgt. “Wo soll das hinführen?”, fragt sie manchmal und “Das sind düstere Zeiten.”
Sie sagt, dass sie froh ist, heute alt zu sein.
Jetzt können wir es uns nicht aussuchen, wann wir geboren wurden. Jede Zeit blickt auf ganz eigene Herausforderungen; jede Zeit hat Seiten von Schatten und Licht. Während es bei meiner Oma vor allem der Anfang ihres Lebens war, der von Schatten geprägt war, ist es heute der Schatten in der Zukunft, der bereits jetzt das Licht verdunkelt. Als Klimaeltern haben wir Sorge, vielleicht sogar Angst um die Zukunft unserer Kinder. Das beschäftigt uns, bedrückt uns und vielleicht beeinträchtigt uns auch, heute ein leichtes und glückliches Leben zu führen. Manchmal da fehlt die Leichtigkeit.

Wir müssen mit einem unlösbaren Konflikt zurechtkommen: Wir wollen Kinder, möchten Eltern sein, haben vielleicht bereits Kinder – und gleichzeitig fliegen uns Fakten um die Ohren, die von nur noch acht Jahren Zeitfenster zum Handeln sprechen, von 1 Komma 5 Grad, von unumkehrbaren Kipppunkten und anderen Dingen. Und eins hört sich schlimmer an als das andere.
Kinder? In dieser Welt?
Als mir das klar wurde, brauchte ich eine neue Community. Eine, mit der ich mich nicht nur über Babyschlaf, Stilldauer und Stoffwindeln unterhalten konnte, sondern die die Metaebene mitdachte. Ich suchte nach einer Klimaeltern-Community, die Klimakrise mitdachte, die sich sorgte, so wie ich.
Auch mich beschäftigte der Schlaf meines zweiten Kindes. Allerdings bedeutend weniger, als am Anfang, als ich zum ersten Mal Mutter wurde. Im Wochenbett des zweiten Kindes las ich keinen Ratgeber über Babyschlaf, sondern machte eine Weiterbildung in “Global Energy and Climate Policy”. Ich schrieb Essays über die Zukunft von fossilen Brennstoffen (die hoffentlich schlecht ist) und den Status quo der Umsetzung des Pariser Klimaabkommen (der leider schlecht ist), während mein Neugeborenes auf meiner Brust friedlich schlummerte.
Das hatte einen inneren Konflikt zur Folge, der bis heute immer wieder aufflammt – und es sicherlich mein Leben lang immer wieder tun wird. Ich habe MEIN Kind in diese Welt gebracht, ich sorge mich um jeden Atemzug – und ja, genau das war auch schon der Konflikt. Ich habe mein Kind in DIESE Welt gebracht?
Ob das jetzt egoistisch war oder ich mich damit schuldig gemacht habe, das wird mir mein Kind vielleicht einmal auf meinem Sterbebett sagen. Im Moment ist er 1,5 Jahre alt, liebt Bagger, Autos und seine große Schwester und wirkt ziemlich glücklich, auf dieser Welt zu sein.
Die innere Zerrissenheit, sich für Kinder entschieden zu haben, obwohl die Zukunft so düster aussieht, die ist da. Sie darf auch sein. Die Frage ist eher, für alle, die sich des Ausmaßes der Klimakrise bewusst sind: Wie kann sie nicht da sein?
Die Entscheidung für Kinder ist eine Entscheidung für Hoffnung, aber auch für ein Leben mit mehr Angst.
Wo finde ich diese Klimaeltern-Community?
Ich finde, es braucht mehr gegenseitiges Stützen und sich tragen, sich auffangen und gemeinsam fühlen, um diese Emotionen aushalten zu können. Das BO-Netz, das Netz von Eltern, die ihre Kinder bedürfnisorientiert und beziehungsorientiert begleiten, ist in den letzten zehn Jahren extrem gewachsen. Heute gibt es eine wahre Flut an Blogs und Kanäle, um sich nicht alleine zu fühlen bei dieser Herausforderung. Die gleiche Bewegung braucht es bei der Klimakrise. Bis vor einem Jahr musste ich richtig suchen, um überhaupt einen Kanal oder Blog zu finden, der sich mit Klimaemotionen beschäftigte – und ich fand keinen. Also fing ich selbst an, mehr und mehr darüber zu schreiben.
Die Klimakrise – ein unbeliebtes Thema, keines mit dem man den Algorithmus erfreut und keines, mit dem man in Scharen Menschen aka Follower:innen anzieht. Aber es war wichtig. Für mich und für die, die sich von mir gehört und gesehen fühlten. Heute gibt es mehr Menschen, die sich damit auseinandersetzen und auch immer mehr, die die Plattform dafür bieten. Aber immer noch zu wenig, es sind meist kleine Kanäle.
Jeder einzelne davon ist wichtig und wertvoll, denn es gehört zur Klimabewegung dazu, die Klimakrise mit allen Emotionen und Herausforderungen ins Leben zu integrieren. Ins Leben aller Menschen. Auch für Eltern. Vor allem für Klimaeltern!
Denn erst wenn wir uns selbst mit unseren Emotionen auseinandergesetzt haben und sie bewältigen können, können wir der sichere Halt für unsere Kinder sein.

Mit Kindern über die Klimakrise sprechen?
Ja, aber richtig!
Wie das geht? Das habe ich in einem kurzweiligen, empowernden E-Book geschrieben.

Ich freue mich deshalb, dass es diese Entwicklung gibt. Dass immer mehr über Klimaemotionen gesprochen wird. Gleichzeitig möchte ich dich, der/die du diese Zeilen liest, ermutigen, auch einen Weg zu finden, über deine Emotionen zu sprechen – und den Weg zu ebnen, aktiver zu werden. Eine #klimaeltern-Community zu finden, in der du die Möglichkeit zum Austausch, zum Mut machen oder sich frei von Wut machen, zur Reflektion oder schlicht zur Aufmunterung hast. Auf meinem Instagram Profil @vero.nika.rivera gibt es solch eine #klimaeltern-Community, was Informationen, persönliche Reflexion und neuen Input angeht. Einmal im Monat treffen wir uns Online.
Für Gespräche und Austausch gibt es auch Angebote wie das Online-Klimacafé der Psychologin Sonja Enste. In größeren Städten werden auch analoge Klimacafés angeboten. Nele schreibt auf ihrem Profil @Klimagefuehle über Emotionen und wie wir mit ihnen umgehen können.
Angst, Wut, Ohnmacht von Klimaeltern… und über allem steht die Hoffnung
Ich bin nicht die erste Mutter, die das schwere Gewicht der wachsenden Klimakrise auf ihren Schultern spürt, dass das Leben und die Zukunft unserer Kinder in Ungewissheit hüllt. Ich bin nicht die erste und ich werde nicht die letzte sein. Vielleicht spürst du es auch schon. Hält man einen Moment inne und fühlt in sich hinein, wie diese Welt sich gerade verändert; wenn man sich vor Augen führt, in welchen Zeiten wir leben und wie groß und all-umfassend dieser Wandel ist – dann ist das ein übermächtiges Gefühl. Da ist Angst, da ist Wut. Verzweiflung gemischt mit sehr viel Sorge.
Bei mir steht dennoch über allem die Hoffnung. Große Hoffnung. Auch wenn es heißt, die Hoffnung sei auch eine Art Verdrängungsmechanismus, würde am Handeln hindern. Weil wir uns auf die Zuversicht stützen würden, auf ein: “Irgendjemand kümmert sich schon darum. Wird schon alles werden.”
So ist es nicht. Wir haben so viel Wissen, so viel Expertise, die an unserer Seite kämpft. Die Möglichkeiten für die Schadensbegrenzung, für die Umkehr der unnatürlich schnellen, menschengemachten Erderwärmung sind schon da! Seit diesem Sommer 2022 hat sich meiner Meinung nach auch gesellschaftlich in der Klimasorge-Bewegung etwas getan. Ich habe den Eindruck, die Menschen wachen endlich auf und sehen, dass wir es nicht mit einem Klima”wandel” zu tun haben, sondern mit einer ausgemachten Krise. Obwohl wir alle Klimaeltern sind, gibt es mehr, die auch offen darüber sprechen und ihre Sorgen teilen.
Ich hoffe auf einen gesellschaftlichen Kipppunkt. Das Zukunftsinsitut beschreibt diesen so: “Soziale Kipppunkte zeichnen sich dadurch aus, dass innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne und ohne einen gravierenden oder vorhersehbaren Auslöser tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen stattfinden.” Die Voraussetzungen für einen sozialen Kipppunkt sieht das Zukunftsinstitut gegeben.
Jetzt braucht es jeden einzelnen Menschen, sich für ein sozial gerechtes, klimafreundliches, faires und ökologischeres Leben einsetzen. Denn: “Angestoßen werden diese Kipppunkte von einer kleinen, aber engagierten Minderheit, der es gelingt, die Einstellung einer Mehrheit zu ändern und damit weitreichende Bewegungen in allen gesellschaftlichen Bereichen anzustoßen. Sobald eine kritische Masse überzeugt ist, braucht es nur noch einen kleinen, unscheinbaren Auslöser, um eine gewaltige Dynamik in Gang zu setzen, die schlussendlich alle Gesellschaftsbereiche beeinflusst.”
Wir sind nicht alleine. Wir sind viele. Millionen Menschen, die sich Sorgen und Angst haben und die Hoffnung nicht aufgeben wollen. Sie wollen einen Wandel. Aber auch: Jede:r einzelne zählt – auch du. Beginne, über deine Sorgen und Ängste, über deine Visionen zu reden! Mit Freund:innen, Familie und Nachbar:innen. 70 Prozent der Deutschen sehen im Klimawandel laut einer Studie eine “große Bedrohung”.
Und immer mehr sind bereit, ihre Angst in Aktion umzuwandeln. Es gibt Hoffnung – denn WIR sind die Hoffnung. Du, weil du hier mitliest. Anderen davon erzählst. In Aktion trittst und den Wandel einläutest.

Möchtest du ganz konkret mitmachen?
Aktuell plane ich Vorträge, um die Klimakrise als Workshop in Schulen zu bringen. Nicht als Pädagogin oder Expertin – “lediglich” als klimabewegte Mutter. Ich möchte Workshops für Kinder und Eltern vorbereiten und sie in meine Gemeinde bringen.
Anschließend möchte ich diese Workshops zur Verfügung stellen, damit andere klimabewegte Menschen sie ebenfalls als Vortrag vor dem nächsten Elternabend, oder als Ergänzung zum Sachkunde, oder Biologieunterricht, in ihre Schulen und Kindergärten bringen können. Dafür habe ich Ende 2022 ein Netzwerk mit klimabewegten Eltern und Bezugspersonen gegründet.
Wenn du Interesse daran hast, mitzuwirken, dann melde dich gerne bei mir. Per PN auf Instagram oder unter veronika @ quercustexte (.) de (ganz normal geschrieben, hier nur wegen Spam-Mails so komisch geschrieben). Ich freue mich auf dich und weitere Klimaeltern!
Du sprichst mir wie so oft aus der Seele, danke liebe Vero. Ich werde deine Idee am Freitag bei unserem Treffen der KlimaKids-Redaktion ansprechen. Falls wir da auch von Graz aus dabei sein können? lg Beatrix
Ja natürlich. Ich möchte das über Zoom/ähnliches organisieren.