75 Prozent der Jugendlichen haben Angst vor den Folgen der Klimakrise, 88 Prozent spüren Trauer über menschengemachte Umweltzerstörung. Die großen Herausforderungen der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen bewegen laut der Jugendstudie 2021 des Umweltbundesamts junge Menschen zwischen 14 und 22 Jahren sehr. Ich frage mich: Bekommen Jugendliche genug Unterstützung in der Schule? Wie nehmen sie die Klimakommunikation wahr?
Onna (12), spürte vor allem Wut, als ihr die Folgen der Klimakrise bewusst wurde. Ich frage sie und ihre Schwester Mira (14) (Namen geändert), wie präsent die Klimakrise in Schule und Alltag ist. Ich möchte von den beiden Teenagerinnen wissen, wie in ihren Augen eine gute Klimakommunikation zwischen Eltern, Lehrkräften und Kindern aussehen sollte. Die beiden erzählen mir, dass sie als Veganerinnen einen Stempel tragen. Mir wird klar: Es braucht Mut, um sich für Klimaschutz auszusprechen. Auch oder vor allem in der Schule.
Erinnert ihr euch daran, wann ihr das erste Mal von der Klimakrise gehört habt?
Onna: Ich war in der dritten Klasse das erste Mal auf einer Demo von Fridays for Future, aber wann ich das erste Mal davon gehört habe, weiß ich nicht so genau. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, ich habe das erste Mal von Mira darüber gehört.
Mira: Wir hatten in der Schule etwas über Treibhauseffekte gelernt. Ich war damals Umweltsprecherin in meiner Klasse. Das ist jemand, der verantwortlich ist, dass die Fenster zugemacht werden, wenn die Heizung an ist. Wir haben auch zweimal im Jahr Umwelttage, da habe ich viel darüber gelernt.
Onna: Als ich von Mira von der Klimakrise erfahren habe, habe ich am Anfang nicht so viel gemacht. Dann wurde es aber in der vierten Klasse immer mehr und dann in der fünften Klasse wurde ich auch zur Umweltsprecherin gewählt. Aber so richtig angefangen, etwas zu machen, habe ich in der vierten Klasse. Da bin ich auch zu vielen Demos gegangen.
Gab es einen Moment, an dem euch bewusst wurde, dass der Klimawandel nicht ein beliebiges Thema im Unterricht ist, sondern euer Leben beeinflussen wird?
Mira: Ja, ich habe das verstanden, als ich ein Interview mit Greta Thunberg gesehen habe.
Onna: An das Interview kann ich mich auch noch sehr gut erinnern, das ist in meinem Gehirn stecken geblieben. Ich hatte das damals bei einer Freundin gesehen. Aber auch durch die Demos, als ich gemerkt habe, dass das kein Thema nur von mir ist, sondern so viele Menschen, die ganze Welt, bewegt.
Wie ging es euch in dem Moment?
Onna: Ich war so wütend auf die Leute, die gar nichts machen, obwohl sie wissen, dass alles so kacke ist. Ich war auch verwirrt, wieso ich das erst in der dritten Klasse mitbekommen habe. Dabei ist das doch Grundwissen! Man möchte doch wissen, was in der Welt los ist und es betrifft ja schließlich mein eigenes Leben.
Mira, du hast in der fünften Klasse von der Klimakrise gehört und die Folgen verstanden. Hättest du auch gerne früher davon gewusst?
Mira: Nein, weil ich glaube, ich hätte nicht verstanden, dass es so krass ist. Ich glaube, ich wäre sonst einfach mit dem Wissen aufgewachsen, dass man da was machen müsste und hätte gedacht, das ist normal. Aber wenn man es dann erzählt bekommt, wenn man schon grundlegende Sachen versteht, dann hat es mehr Gewicht. Man wächst ja auch damit auf, dass es Orte auf der Welt gibt, an denen Menschen nichts zu Essen haben. „Iss deinen Teller auf, andere Leute haben nichts“, hieß es immer – und ich habe sehr lange gedacht, dass das eben so ist. Erst vor kurzem habe ich richtig verstanden, was das bedeutet.
Ich weiß nicht, ob das Sinn macht, aber ich glaube, ich hätte es früher verstanden, wenn es mir später erzählt worden wäre.
Onna: Ich glaube das Alter ist egal. Wenn einem bewusst gemacht wird, wie schlimm es ist, dann begreift man das. Es nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, sondern den Kindern auch bewusst machen, wie schlimm es ist, dass Menschen nichts zu Essen haben – oder auch den Klimawandel. Das kann man Kindern bewusst machen.
Ich glaube, es gibt viele Erwachsenen, die sich das gar nicht bewusst machen.
Mira und Onna: Ja, davon gibt es sehr viele.
Nehmen wir mal an, ihr unterhaltet euch mit klimabewussten Eltern. Die möchten von euch wissen, wie gute Klimakommunikation mit ihren Kindern aussehen sollte – wie sie am besten mit ihren Kindern über die Klimakrise sprechen sollten. Was würdet ihr diesen Eltern raten?
Mira: Sie sollten nicht nur reden, sie sollten vor allem etwas machen! Auf Demos gehen, die Ernährung umstellen, praktische Sachen machen!
Die Eltern sollten also Verantwortung übernehmen und Klimaschutz statt Klimakommunikation betreiben?
Mira: Ich finde, jeder Mensch sollte diese Verantwortung übernehmen.
Onna: Die Eltern beeinflussen ja sehr viel. Wenn sie wenig oder nichts machen, werden die Kinder damit aufwachsen, dass das so okay ist.
Ist die Klimakrise ein Thema in eurem Freundeskreis?
Onna: Also, bei meinen Freund:innen habe ich viel darüber geredet, aber es hat nur eine Freundin interessiert. Die ist mit mir dann auch auf Demos gegangen.
Mira: … aber mittlerweile nicht mehr…
Onna: Nein, mittlerweile nicht mehr. Ich hatte noch eine andere Freundin, die mal mit auf einer Demo war, aber es hat sie nicht so wirklich interessiert. Aber bei mir interessieren sich nur wenige Leute dafür.
Woran liegt das, meinst du?
Onna: Verdrängung glaube ich. Auch meine Freundin, die immer mit auf den Demos war, hat sich irgendwann davon abgeschirmt. Die macht jetzt nicht mehr so viel.
Mira: Bei mir ist es sehr gespalten. Eine meiner besten Freundinnen liest sehr viele Bücher darüber. Da unterhalten wir uns auch mal drüber, aber eigentlich muss man sich gar nicht so viel darüber unterhalten. Wir gehen zusammen auf Demos. Es ist wichtig, das Thema aktuell zu halten, aber manchmal ist es auch erholsamer, nicht so viel darüber zu reden. Eine andere Freundin habe ich vor einem halben Jahr zu einer Demo mitgeschleppt, das war für sie das erste Mal auf einer Demo – das fand ich schon erschreckend.
Onna: Wenn ich das Thema mal im Unterricht anspreche, weil ich denke, das passt zum Thema…
Mira: … Ich werde dann immer direkt ausgebuht…
Onna: Oh, ne ich nicht. Aber ich finde es überraschend, wie wenig meine Klassenkamerad:innen darüber wissen. In meinem Freundeskreis wissen alle ganz gut Bescheid, aber manche Leute in der Klasse sind dann erstaunt, dass es wirklich so schlimm ist.
Bei euch wird man ausgebuht, Mira?
Ja, vor allem im Unterricht mit den Parallelklassen. Wenn ich da ein ansatzweise politisches Thema anspreche – über Klimawandel oder Kapitalismus, oder wenn ich im Philosophieunterricht über Gerechtigkeit sprechen möchte – heißt es gleich: „Wieder die Veganerin“, und dann … ja, ich werde da ein bisschen weggemobbt.
Onna: Ja, mir rufen auch Leute Sachen hinterher…
Mira: Das tut ein bisschen weh.
Das kann ich verstehen, dass das weh tut. Oh man. Gibt es denn auch Leute, die da hinter euch stehen?
Onna: Ja, bei mir sind das meine Freund:innen. Die rufen dann den anderen wiederum einen Spruch hinterher.
Mira: Alle Leute, mit denen ich ein oder zwei Jahre befreundet bin, sind auch entweder Veganer:innen oder zumindest Vegetarier:innen geworden.
Wenn ich da ein ansatzweise politisches Thema anspreche – über Klimawandel oder Kapitalismus, oder wenn ich im Philosophieunterricht über Gerechtigkeit sprechen möchte – heißt es gleich: „Wieder die Veganerin“, und dann … ja, ich werde da ein bisschen weggemobbt.
Mira, 14 Jahre
Ihr ernährt euch beide vegan.
Onna: Ja, bei mir gibt es sonst nur noch eine Vegetarierin in der Klasse. Und eine, die isst sehr wenig Fleisch und verzichtet auf Milch und Eier. Aber es ist nett, wenn irgendein Geburtstag ist oder so, dann bringen die Leute extra was für mich mit, damit ich was essen kann. Einmal hat ein Mädchen was nicht-veganes mitgebracht und dann hat sie sich bei mir entschuldigt, dass sie es vergessen hätte. Da sind die Leute aus meiner Klasse wirklich nett. Es gibt aber auch Leute wie aus Miras Parallelklasse, die kacke sind zu uns. Aber aus meiner Klasse sind sie cool und es gibt viele, die das auch probieren.
Mira: Es gibt bei mir in der Klasse viele, die auf ihre Ernährung achten – vor allem die Mädchen, die Jungs nicht. Aber die meisten reden nicht gerne darüber. Weil die Leute, die sich nicht bewusst ernähren, einen dann schlecht behandeln. Ein harmloses Beispiel ist das Spiel Werwolf. Da kann man als Veganer:in oder Vegetarier:in nicht zum:r Bürgermeister:in gewählt werden. Ich versteh die Logik dahinter nicht, aber so ist das.
Onna: Das sind Leute, die den Klimawandel ignorieren und wenn man was sagt, rufen sie einem blöde Sprüche hinterher.
Mira: Das sind Leute, die nicht wissen, was Empathie ist.
Wie steht es um die Klimakommunikation in der Schule: Behandeln eure Lehrkräfte eurer Meinung nach die Klimakrise unabhängig von ihrem Fach ausreichend?
Onna: Meine Klassenlehrerin macht das richtig gut – aber die ist auch so ein bisschen politisch. Und sie ist sehr jung. Aber in den anderen Fächern, vor allem mit älteren Lehrer:innen, da ist das überhaupt kein Thema. Die sind auch sehr altmodisch. Zum Beispiel sollten wir in Englisch Weihnachtsgeschenke sortieren. Für Mädchen und für Jungen!
Mira: Eigentlich sind die Lehrer:innen an unserer Schule schon sehr aufgeklärt.
Onna: Wenn das Thema im Unterricht aufkommt, sprechen mir die Lehrkräfte oft ihren Respekt aus. Weil ich mich vegan ernähre zum Beispiel und weil ich so viel mache. Und sie das nicht hinkriegen.
Mira: Wir hatten einmal eine große Fridays for Future Demo, da konnte man mit einem Zettel von den Eltern als entschuldigte Fehlstunde hingehen. Sonst bekommt man immer eine unentschuldigte Fehlstunde, wenn man auf Demos geht. Da haben die Lehrer:innen uns quasi gebeten, hinzugehen und gesagt, dass sie eh nichts wichtiges im Unterricht machen. Sie haben auch zu den Leute, die geblieben sind, gesagt: „Ja, warum geht ihr denn jetzt nicht auf die Demo? Ihr habt keine Schulpflicht und tut was gutes für die Umwelt!“
Onna: Ich habe an dem Tag eine Arbeit geschrieben, aber die Lehrerin hat uns danach dazu aufgefordert, noch auf die Demo zu fahren. Wir sind dann ein bisschen später dazu gekommen.
Mira: Wir kriegen von unseren Umweltsprecher-Team auch immer E-Mails, wann die Demos stattfinden. Das ist cool.
Mit Kindern über die Klimakrise sprechen?
Ja, aber richtig!
Wie das geht? Das habe ich in einem kurzweiligen, empowernden E-Book geschrieben.
Mira, du engagierst dich in einem Netzwerk, dass sich mit der Verbindung zwischen Klimakrise und Kapitalismus beschäftigt. Was ist das, wie kam es dazu?
Das ist die LEA – Left Ecological Association. Da bin ich über die Rosa Luxemburg Stiftung hingekommen. Wir treffen uns jeden zweiten Donnerstag Online und behandeln verschiedene Themen. Ich bin die einzige Minderjährige, glaube ich. Manchmal gibt es auch Vorträge.
Wie bist du darauf gekommen, da mitzumachen?
Ich mache das mit der Partnerin meines Papas. Wir wollten uns da einen Vortrag anhören, also wir dachten, das wäre ein Vortrag, aber dann war es eine Diskussionsrunde. Dann haben wir gedacht, wir machen da einfach mit. Und seitdem sind wir da dabei. Kürzlich haben wir Einjähriges gefeiert.
Wie viele Leute seid ihr da?
Wir waren zwischendurch mal sehr viele Leute, aber die sind nicht alle geblieben. Der Kern besteht aus so sieben bis zehn Menschen, die regelmäßig zu den Treffen kommen.
Onna, hast du auch eine Gruppe, mit der du dich triffst?
Ja, ich habe eine Umwelt- und Klimagruppe, bin im Green Team und bin Umweltsprecherin. Aber das geht alles von der Schule aus. Ich engagiere mich sehr doll in meiner Schule.
Mira: … wir machen auch was für „Jugend forscht“. Wir machen da zusammen ein Projekt.
Was macht ihr da für ein Projekt?
Mira: Wir machen Schuhe, die beim Auftreten Energie erzeugen sollen.
Onna: Durch Magnete in Spulen wird beim Auftreten das Magnetfeld verändert und das erzeugt dann Energie.
Mira: Wir sind noch im zweiten Modell, das erste Modell hat noch nicht so gut geklappt. Das zweite soll besser klappen, da wollen wir mit einer Diode zeigen, dass Energie fließt. Später dann wäre es cool, wenn man damit sein Smartphone laden kann.
Was ist der Unterschied zwischen dem Green Team und der Klima- und Umweltgruppe?
Onna: Im Green Team sind Leute aus allen Jahrgangsstufen, da treffen wir uns jede zweite Woche. Da organisieren auch die Lehrer:innen sehr viel mit, da sind wir sehr viele Leute. Im Klima- und Umweltteam sind nur ein paar Leute, da treffen wir uns jede Woche. Da sind wir wenige und organisieren uns selbst. Wir nehmen an Umweltwettbewerben teil, machen die Schule nachhaltiger und so.
Mira: Unsere Schule ist aber auch schon gut. Wir haben zum Beispiel ein Gewächshaus und einen Bienenkasten und Kräuterschnecken im Pausenhof.
Obwohl eure Schule da offen für ist, erzählt ihr von Mobbingerfahrungen, wenn ihr euch fürs Klima einsetzt.
Onna: Unsere Schule ist gespalten. Es gibt die, die etwas fürs Klima machen und die anderen. Die sind zu faul, etwas zu machen und machen deswegen die Leute schlecht, die was tun. Ich glaube, es sind eigentlich mehr Leute, die FÜR Klimaschutz sind als dagegen. Viele tun auch was, aber sagen es nicht, damit sie nicht schlecht gemacht werden.
Mira: Zu mir hat mal eine Gruppe von Jungs ziemlich blöde Sachen gesagt und dann habe ich mich mit denen unterhalten. Der eine ist auch Vegetarier und war auf Demos und so, und ich dachte mir, warum macht der denn da mit.
Onna: Ich glaube, das ist ganz arger Gruppenzwang. Einmal haben sie mich in der Pause so fertig gemacht, dass ich angefangen habe zu weinen. In der Stunde. Aber der Bruder, von einem der mitgemacht hat, ist in meiner Klasse. Und dessen Bruder ist dann danach zu mir gekommen und hat sich ganz stark bei mir entschuldigt. Ich glaube, das war auch Gruppenzwang. Einer fand es lustig und dann haben alle mitgemacht, um den anderen zu beeindrucken…
Mira: … du hast echt geweint?
Bekommen die Lehrkräfte das mit, mischen sie sich dann ein?
Mira: Die Aufsichtspersonen in der Pause haben immer ziemlich viel zu tun. Die haben nicht so richtig Zeit, dass alle gut behandelt werden. Wobei einmal, da bin ich zu so Leuten gegangen und hab‘ gesagt, dass sie aufhören sollen, mies zu meiner Schwester zu sein. Da kam dann ein Lehrer und hat mich gefragt, ob ich gemobbt werde und da hab ich gesagt: „Ne, gerade nicht.“
Ich glaube, die versuchen es, aber sind überfordert.
Was gibt euch Hoffnung?
Onna: Die Menschenmenge. Wenn man auf Demos geht. Und dass man Zuspruch bekommt. Erst denkt man, dass so viele gegen einen sind. Aber wahrscheinlich zählt man diese Stimmen mehr, die bleiben hängen. Weil wenn ich das im Unterricht anspreche, ist die Mehrheit auch für Klimaschutz. Viele machen noch nicht so viel, aber der Zuspruch ist da.
Mira: Ich find‘ es nett, wenn sich Lehrer:innen über Leute, die sich daneben benehmen, lustig machen. Es tut gut, wenn man bei Leuten ist, die sich auch für Klimaschutz einsetzen. Oder auf Demos geht. Auf Demos ist es gut.
Wollt ihr noch irgendwas zu Klimakommunikation sagen, ist euch noch was wichtig?
Mira: Klimaschutz!